
Die letzten Monate hier in Wien waren für mich vor allem ein politischer Erweckungsmoment. Ja, ein drei Monate langer Moment. Das liegt vor allem an Fridays For Future. Ich war direkt in meiner ersten Woche mal bei der kleinen Demo, dann war der globale Climate March Mitte März. Was ich dort erlebt habe, war einerseits sehr schön – lustige Plakate und ein enormes Gemeinschaftsgefühl – andererseits fand ich die Aussage eines der Organisatoren, es ginge “nicht darum, dass ihr selbst etwas ändert, weil ihr das nicht könnt”, kritisch. (Dazu muss ich sagen, dass die genauen Forderungen und Haltungen bei FFF je nach Stadt variieren. Aber grundsätzlich ist es vor allem eine Kritik an der Politik, weniger an der Bevölkerung). Ich sehe das etwas anders – trotzdem war ich jetzt dreimal dabei (wenn ich auch nicht mitgesungen oder Plakate hochgehalten habe – ich bin kein Aktivist und fühle mich bei so etwas einfach unwohl) und werde es auch wieder sein, denn: die Bewegung ist grundsätzlich richtig, wichtig und – das ist das Wichtigste – wirksam.

Bundesumweltministerin Svenja Schulze hat im Rahmen der FFF das Klimakabinett einberufen, das 2019 zum “Jahr des Klimaschutzes” machen soll. Natürlich bleibt abzuwarten, ob die Bundesregierung wirklich handelt – nach der Europawahl sind sie aber jetzt ja fast schon im Zugzwang. Viele Städte und Gemeinden haben international den Klimanotstand ausgerufen, was bedeutet, dass alle zukünftigen Entscheidungen vor dem Hintergrund des Klimaschutzes bedacht werden müssen. Das ist nur so halb verbindlich, aber ein gutes Signal. Städte und Gemeinden sind in Sachen Dekarbonisierung ja vermehrt sowieso schon besser aufgestellt als ihre Länder.
Ich habe viel auf twitter verfolgt, was Politiker*innen und andere zu Fridays For Future haben verlauten lassen. Ich bekomme die Reihenfolge gar nicht mehr rekonstruiert, so viel Blödsinn wurde ins Netz, in die Zeitungen und ins Fernsehen gespült. Da gab es Christian Lindner’s Statement, Klimaschutz solle man doch den “Profis” überlassen. Damit hat er Recht, kann die FDP damit aber wohl kaum meinen. Es gab die Diskussion, die Schüler*innen sollten lieber in die Schule gehen, womit komplett vom Thema abgelenkt werden sollte. Nicht wenige haben Greta als “instrumentalisiert” bezeichnet, als inkonsequent, weil sie ja Verpackungsmüll produziere, wenn sie Lebensmittel im Zug konsumiert – eine Abwehrreaktion erster Güte. Und zuletzt war dank Luisa Neubauer das Thema so unglaublich präsent in der deutschen Medienlandschaft, dass man ja kaum daran vorbeikommen konnte, die öffentliche Meinung in all ihren Facetten kennenzulernen.
Mein “politisches Erwachen” war insofern gar nicht der FFF-Bewegung an sich geschuldet, sondern vielmehr Allem, was darauf folgte. Ich interessiere mich für FFF, weil die Politik darauf reagiert und anders herum. Dabei habe ich irgendwo zwischen Fassungslosigkeit und einigen sehr witzigen Diskussionen festgestellt, dass der ganze politische Zirkus schon ziemlich spannend ist. Das heißt nicht zwangsläufig, dass ich in eine Partei eintrete, aber kann mittelfristig schon dafür sorgen. In jedem Fall habe ich endlich für mich den Schritt aus meinem zutiefst politischen Studium heraus gemacht und die Verbindung zur realen Politik hergestellt. Diese Verbindung wird auch wohl erst einmal nicht reißen.
Derzeit haben die Demonstrierenden so viel Aufmerksamkeit für das Thema Klimaschutz geschaffen wie vermutlich nie zuvor. Keine Konferenz, kein Vortrag kommt ohne die Nennung von Greta aus, keine Woche, in der keine neuen Artikel veröffentlicht werden. So funktionieren die Medien natürlich, aber es ist schon beeindruckend. Zudem war es jetzt vor der Europawahl noch einmal besonders wirksam, denn die doch recht hohen Werte für die Grünen in Deutschland werden wohl maßgeblich durch FFF beeinflusst worden sein. Das freut mich natürlich.

Mal sehen, wo die … For Future-Bewegung noch hingeht. Vergangene Woche beim zweiten Climate March waren zumindest hier in Wien schon deutlich weniger Leute auf der Straße, und ewig wird es nicht so weitergehen. Zwar soll gestreikt werden, bis etwas passiert – aber wann wird aufgehört? Wenn das 1,5°C-Ziel erreicht ist? Ab wann wird die Klimapolitik als “glaubwürdig” eingestuft und die Plakate werden eingepackt? Im Outrage & Optimism-Podcast mit Greta Thunberg wird erneut deutlich, wie ernst sie die Proteste meint, aber wie lange ist die Welt noch an ihr interessiert? Ab wann werden die Proteste ignoriert – und spielt das überhaupt eine Rolle? Mit einiger Verzögerung sind nach den Scientists jetzt auch die Parents, die Artists, die Economists (!) und sogar die Grannies For Future dabei, aber das Momentum schwindet letztlich doch irgendwann. Ich hoffe, es hat langfristig etwas bewirkt – für das öffentliche Bewusstsein war es jedenfalls ein unvergleichlicher Prozess.
Schreibst echt gut und verständlich. Deine Einstellung gefällt mir. Und leider ist Politik unumgänglich für dich.
Mal sehen, wo das noch alles hinführt.
LikeLike