Was wie der Anfang eines schlechten Witzes klingt, soll mein erster Eintrag im Jahr 2020 sein. Ich möchte ruhig anfangen und ein paar Gedanken und Ereignisse einsortieren, die mich in den letzten Wochen beschäftigt haben. Es soll um die Bauern gehen, um Alexander von Humboldt und um Joaquin Phoenix. Quasi als kleiner Snack für zwischendurch. Happs. Und weg.

Joaquin Phoenix und die Oscarrede

Am vergangenen Montag erhielt Joaquin Phoenix seinen ersten Oscar als Bester Hauptdarsteller in Joker – völlig verdient und keine große Überraschung. Viel spannender war seine Dankesrede, die er – wie schon bei Ehrungen zuvor – nicht mit Danksagungen oder Witzen schmückte, sondern mit Appellen, die ganz gut unter die Haut gingen. Ich möchte die Rede an dieser Stelle mal nach eigener Übersetzung auf deutsch anführen, sie spricht für sich selbst. Das Original habe ich bei https://www.theguardian.com/film/2020/feb/10/joaquin-phoenixs-oscars-speech-in-full gemopst.

„Ich bin erfüllt von Dankbarkeit. Ich fühle mich nicht meinen Mitnominierten oder irgendjemandem in diesem Raum überlegen, denn wir teilen alle dieselbe Liebe – die Liebe zum Film. Und diese Ausdrucksform hat mir ein höchst außergewöhnliches Leben ermöglicht. Ich weiß nicht, wo ich ohne sie wäre. Aber das größte Geschenk, das sie mir und vielen anderen Menschen in dieser Industrie hat zuteil werden lassen, ist die Möglichkeit, unsere Stimme für diejenigen zu nutzen, die keine Stimme haben. Ich habe viel über einige der großen Herausforderungen nachgedacht, vor denen wir gemeinsam stehen.

Ich denke, manchmal fühlen wir uns – oder werden dazu gebracht, uns so zu fühlen – als würden wir verschiedene Themen bevorzugen. Aber ich sehe Gemeinsamkeiten. Egal, ob wir über Geschlechterungerechtigkeit oder Rassismus oder Queer-Rechte oder indigene Rechte oder Tierrechte sprechen, wir sprechen immer über den Kampf gegen Ungerechtigkeit. Wir sprechen über den Kampf gegen den Glauben, dass eine Nation, ein Volk, eine Rasse, ein Geschlecht, eine Spezies, das Recht hätte, eine andere ungestraft zu dominieren, auszunutzen und zu kontrollieren.

Meiner Meinung nach haben wir uns sehr von der natürlichen Welt entfernt. Viele von uns machen sich einer egozentrischen Weltsicht schuldig, und wir denken, dass wir der Mittelpunkt des Universums wären. Wir gehen in die natürliche Welt und plündern sie aufgrund ihrer Ressourcen. Wir fühlen uns ermächtigt, eine Kuh künstlich zu befruchten und ihr Baby zu stehlen, obwohl ihre Wehklagen unverkennbar sind. Dann nehmen wir ihre Milch, die für das Kalb bestimmt war, und tun sie in unseren Kaffee und unser Müsli. Wir fürchten uns vor der Vorstellung, uns selbst ändern zu müssen, denn wir denken, dass wir etwas opfern müssten; dass wir etwas aufgeben müssten. Aber Menschen können so kreativ und erfinderisch sein, und wir können Systeme des Wandels kreieren, entwickeln und einsetzen, die allen fühlenden Wesen und der Umwelt zugute kommen.

Ich war mein ganzes Leben ein Schurke, ich war selbstsüchtig. Ich war manchmal grausam, unumgänglich, und ich bin dankbar, dass so viele von Euch in diesem Raum mir eine zweite Chance gegeben haben. Ich denke, dann sind wir am besten: wenn wir einander unterstützen. Nicht wenn wir uns aufgrund unserer vergangenen Fehler gegenseitig aushebeln, sondern wenn wir einander helfen, zu wachsen. Wenn wir einander etwas beibringen, wenn wir einander zur Erlösung verhelfen.

Als er 17 Jahre alt war, schrieb mein Bruder diese Zeile. Er sagte: „Laufe der Rettung voller Liebe entgegen und Frieden wird folgen. (“run to the rescue with love and peace will follow.“)

Is it just me, or is it getting crazier out there?
Quelle: CNN

Die Zukunft unserer Landwirtschaft

Nach dem Klimaschutz (der ja höchst bravourös gemeistert wurde), wird jetzt die nächste Sau durchs mediale und politische Dorf getrieben (pun intended): die Landwirtschaft. Schon mehrfach sind Bauern auf ihren Trekkern durchs Land getuckert, um ihrer Wut gegenüber den strengen Umweltauflagen Luft zu machen – und stoßen damit auch mal mit Klimaschützern aufeinander. Das ist problematisch. Schließlich sollten wir verhindern, dass sich die linksgrünversiffte abgehobene Stadtbevölkerung (also Menschen wie ich) auf der einen Seite und die Landwirte auf der anderen jetzt anfeinden – dabei haben wir doch dieselben Ziele.

Natürlich müssen wir Landwirtschaft überdenken, weniger Tiere halten, andere Systeme etablieren, und das ist ein schmerzhafter Umbruch. Aber es ist böswillig oder mindestens falsch, zu behaupten, den Landwirten wäre die Umwelt egal. Schließlich sind sie es, die am stärksten an einer zerstörten Umwelt zu leiden haben. Den eigenen Boden, das Wasser und das Klima zu schützen ist doch in ihrem eigenen Interesse. Das zeigt diese kurze Doku über organische vs. konventionelle Landwirtschaft ganz schön.

Viele LandwirtInnen werden von der Politik im Stich gelassen. Die Supermarktketten diktieren die Preise für die Landwirte, und die Politik legt keine Mindestvorgaben für Umwelt- und Tierschutz fest, die Mindestpreise mit sich bringen würde. Und wenn höhere Umweltauflagen angesetzt werden, sind sie für die Betriebe finanziell kaum tragbar. Schönheitsideale für Gemüse lassen verzehrgerechte Lebensmittel in den Abfall wandern, die EU-Vorgaben befördern große Höfe, worunter Kleinbetriebe leiden, und Kälber von Milchkühen bringen durch Preisdumping und Exportregulierungen auf dem Markt nur noch 8€, sodass man sie lieber mit BAUSCHAUM tötet, weil sie sonst zu viel kosten (für mich noch ein Grund mehr, kaum noch Milch zu kaufen). Da kann doch was nicht stimmen. Und dann kommt Julia Klöckner auf Twitter daher und sagt, Fleisch ist zu billig (stimmt) – das sei „unanständig“ (stimmt) – da muss der Verbraucher mal mehr in die Tasche greifen, während sie als Landwirtschaftsministerin eventuell selbst etwas tun könnte. Darüber muss man sprechen.

Da haben wir dann auch wieder die gute alte KonsumentInnenfrage. Wie viel Verantwortung kommt ihnen zu? Solange der Konsument billige Produkte will, bekommt er sie. Und überhaupt, viele Menschen können sich keine teureren Lebensmittel leisten. Da ist ja auch was dran. Der REWE-Chef will deshalb an billigen Preisen festhalten und schwang sich mal eben zum Verteidiger der Armen auf (wobei ich den Kommentar auf Twitter schön fand: wer arm sei, gehe eh nicht zu REWE). Ich bin der erste, der für mehr Ausgaben für Lebensmittel wirbt, aber zu behaupten, es läge nur am Konsumenten, der einfach nicht wolle, ist doch kritisch. Vermutlich gibt es kein Recht auf Billigfleisch und wir sollten doch mehr für Lebensmittel zahlen als die derzeit 14% der monatlichen Konsumausgaben. Aber die Lösung der Armut in Deutschland kann ja vielleicht in anderer Sozialpolitik liegen statt in billigsten tier- und umweltschädlicher Landwirtschaft.

Brumm, Brumm.“
Quelle: MAZ Online

Es ist mal wieder ein furchtbar komplexes Thema, bei dem EU-Subventionen, Lebensmittelimporte und Wirtschaftsinteressen eng verknüpft sind. Ich kann noch auf diesen Talk vom ARD-Presseclub hinweisen, der dem Thema ganz spannend (wenn auch nicht ohne Kopfschüttel-Aussagen) nachgegangen ist. Eine Anmerkung hierzu: wenn die Dame in blau sagt, Soja sei ja so schlecht für den Regenwald und deshalb kein vernünftiger Fleischersatz, dann möchte ich ihr folgende Statistik um die Ohren hauen, die so langsam JEDER kennen sollte: ein Bruchteil (6%) des weltweit angebauten Sojas wird direkt von Menschen verzehrt . Wer in Deutschland Tofu kauft, bezieht den zumeist aus Europa. Und wer Fleisch isst, isst damit mehr Soja als die meisten Veganer, weil die Tiere das ganze Soja fressen. So, und jetzt will ich das nie wieder hören!

Ich möchte im Grunde nur für Verständnis für die Landwirte werben. Sie sind zumeist wohl keine bösartigen Umweltschänder, was ja auch völlig blödsinnig für sie selbst wäre. Sie finden sich stattdessen in einem System wieder, in dem niemand profitiert – außer einigen Großkonzernen. Es bleibt zu hoffen, dass sich die Politik – und gerne auch die Verbraucher, die es sich leisten können – für lokale, organische und pflanzenbasierte Landwirtschaft stark machen. Davon profitieren dann wiederum die Bauern, die Verbraucher und die Umwelt. Zuletzt wurde die „Bauernmilliarde“ beschlossen als finanzielle Unterstützung. Viele Bauern sind dagegen, aber sie kann ein Anfang sein für eine neue Richtung. Ob das Geld etwas bringt, wer wie viel wofür bekommt – letztlich müssen wir abwarten.

Alexander von Humboldt und die Entdeckung der Natur

#Werbung (?) – Sicher ist sicher.

Ich habe in den letzten Tagen „Alexander von Humboldt und die Entdeckung der Natur“ von Andrea Wulf gelesen und bin begeistert. Es ist einerseits eine unterhaltsame und kurzweilige Biographie – vielmehr aber noch fasziniert mich Alexander von Humboldt selbst. Er war mir zuvor natürlich ein Begriff, aber wirklich viel hätte ich über ihn nicht erzählen können. Nach knapp 400 Seiten hat sich das geändert.

Humboldt galt als einer der wichtigsten Forscher seiner Zeit und hat viele bedeutende Entdeckungen unterschiedlichster Disziplinen bis heute erst ermöglicht. Wir verdanken ihm einerseits etliche Einblicke in die süd- und nordamerikanische sowie asiatische Natur sowie eine holistische Perspektive auf ebendiese. Alles ist verknüpft – das Mantra der Nachhaltigkeitswissenschaft – war bereits Humboldt klar. Er ging dabei soweit, die Naturwissenschaften mit der Kunst zu verbinden und Naturerlebnisse gleichzeitig wissenschaftlich und sinnlich aufzuzeichnen und zu vermitteln. Humboldt war Universalgelehrter, einer der letzten, bevor sich die wissenschaftlichen Disziplinen stark voneinander abgrenzten. Er interessierte sich für Botanik, Zoologie, Geologie, Astronomie, Politik und Kunst. Dabei demokratisierte er den Zugang zu Wissen für breite Gesellschaftsschichten; motivierte und unterstützte junge Wissenschaftler, darunter niemand Geringeres als Charles Darwin; sorgte für länderübergreifende wissenschaftliche Zusammenarbeit und deutete Theorien an, die erst viel später neu aufkommen sollten.

„Das nachdenkende, betrachtende, forschende Leben ist eigentlich das höchste.“
Quelle: ZDF

Humboldt war nie verheiratet, seine Liebe galt (laut eigener Aussage) der Wissenschaft. Er war dabei immer auch ein Quälgeist für seine Mitmenschen, die ihn zu Lebzeiten jedoch bereits mit Lobpreisungen überschütteten. Eine nicht makellose, aber wohl auch deshalb so spannende Person. Seine Biographie liest sich wie ein Abenteuerroman und ist gleichzeitig für jemanden wie mich, der die Vorteile der Verknüpfung verschiedener Disziplinen zu seinem Studienalltag gemacht hat, ein Fest. Und in Jena hat er auch noch gewirkt! Eine große Empfehlung meinerseits.

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