Peter Fox ist wieder zurück. 14 Jahre nach seinem Erstlings- und Über-Erfolgsalbum „Stadtaffe“ hat der SEEED-Frontmann wieder eine Single veröffentlicht. Nicht nur mein Musikherz lacht, sondern auch der Teil in mir, der sich für Visionen einer nachhaltigen Zukunft begeistert. Denn „Zukunft Pink“ von Peter Fox und Inéz ist Solarpunk durch und durch. Solarpunk hat mich zuletzt wiederum immer mal wieder sehr eingenommen. Wir sollten eigentlich alle Solarpunks sein. Was das heißt und wie das geht, möchte ich euch am Beispiel von „Zukunft Pink“ näherbringen.
Solarpunk ist ein Genre der Science-Fiction-Literatur und -kunst und gleichzeitig eine politische, philosophische und aktivistische Bewegung. Es geht darum, eine positive Vision der Zukunft zu entwickeln und umzusetzen. Solarpunk entstand bereits vor mehr als zehn Jahren, hat aber bis heute noch keinen festen Stamm an Referenzwerken – anders als beispielsweise Steampunk oder Cyberpunk, von denen sich Solarpunk deutlich und bewusst abgrenzt. Kurz zur Einordnung: Steampunk stellt die Frage nach einer Welt, in der sich Technologie auf Basis von Dampfantrieben entwickelt hat, und alles sieht aus wie ein futuristisches viktorianisches London, mit dampfenden Maschinen, Dampfschiffen und viel, viel Messing. Cyberpunk geht von einer hochtechnologisierten Zukunft unter der Herrschaft von Großkonzernen aus, in der alle Betonstädte im dauerhaften Regen stehen und künstliche Intelligenzen die Frage nach der Menschlichkeit aufwerfen. Während die reale Welt immer mehr auf eine Cyberpunk-Dystopie zugeht, möchte Solarpunk nun Hoffnung vermitteln und eine bessere Zukunft aufzeigen. Solarpunk ist optimistisch. Im quasi-konstituierenden Solarpunk Manifesto heißt es:
We are solarpunks because optimism has been taken away from us and we are trying to take it back. We are solarpunks because the only other options are denial or despair.
Wir sind Solarpunks, weil uns der Optimismus weggenommen wurde und wir versuchen, ihn zurückzuholen. Wir sind Solarpunks, denn die einzigen anderen Optionen sind Verleugnung oder Verzweiflung.
Solarpunk ist eine Antwort auf die Krisen unserer Zeit, die Krisen, die uns noch bevorstehen, und die Prozesse, die diese Krisen befeuern. Solarpunk ist eine futuristische Vision, mit Technologie als einem Ansatzpunkt für eine bessere Zukunft, aber was Solarpunk so besonders macht, ist die Bedeutung der Natur für diese Zukunft. Solarpunk-Welten setzen zu gleichen Teilen auf naturnahe Lösungen und neue Technologien, und Letztere müssen realistisch sein. Hierzu heißt es im Solarpunk Manifesto:
Instead of embracing retrofuturism, solarpunk looks completely to the future. Not an alternative future, but a possible future.
Anstatt Retrofuturismus zu umklammern, schaut Solarpunk komplett in die Zukunft. Nicht in eine alternative Zukunft, sondern in eine mögliche Zukunft.
„Rolle vor im Transit-Pod, die Sonne scheint auf die Blocks“
„Die AI weiß doch was sie tut, das Gras ist grün und schmeckt gut.“ (trotz der Doppeldeutigkeit)
„Frische Musik, frisches Wasser“
„Der Himmel ist immer noch blau, meine Süßen, Future ist now“
In Solarpunk ist Umweltschutz das höchste Gebot – jedoch nicht allein. Umweltschutz steht auf derselben Stufe wie soziale Gerechtigkeit und das Wohl der Menschen. Es geht nicht um die Zerstörung der Menschheit zugunsten der Natur, sondern um eine Harmonie zwischen Mensch und Umwelt. Umweltprobleme werden nicht durch technische Fixes gelöst, in einer Solarpunk-Zukunft ist kein Platz für Climate Engineering – etwas, das ich aus „Der Himmel ist immer noch blau“ heraushöre. Menschen sind keine Herrscher über den Planeten, sondern geben auf ihn acht, schließlich haben wir nur den einen. Man nimmt die Anforderungen der Ökosysteme ernst und bindet sie zentral in die menschliche Aktivität ein. Beispiele sind Permakulturen, Naturmaterialien, Kreislaufsysteme, Müllvermeidung, pflanzenbasierte Ernährung. Wie Peter Fox singt: „Viehbauern lassen die Sau raus“. Übrigens: das Ende des Films „Wall-E“ ist Solarpunk.
Was Solarpunk dabei vom sogenannten „Eco-Modernism“ – Ökomodernismus – unterscheidet, ist die strukturelle Herangehensweise. Solarpunk verhält sich zu Ökomodernismus wie Indie-Rock zu kommerzieller Popmusik. Im Ökomodernismus bestehen unsere politischen und wirtschaftlichen Systeme weiter wie gehabt. Großkonzerne üben enorme Macht auf das alltägliche Leben aus und dominieren unsere gesellschaftlichen Gepflogenheiten. Ein vielzitiertes Beispiel sind Wolkenkratzer mit Fassadenbegrünung. Das wirkt grün und entspricht der grünen, saftigen und lebendigen Ästhetik von Solarpunk-Bildern, doch dahinter stecken immer noch Multimilliarden-Konzerne, die unter enormen Ressourcenverbrauch Prestigeobjekte zimmern, die vor allem wirtschaftlichen Interessen dienen – sowohl als Investitionsobjekte als auch als Büroräume. Solarpunk setzt stattdessen auf gemeinschaftsgetragene Strukturen, auf Wohnraum, der kein Eigentum ist, sondern Grundrecht. Weitere Elemente sind eine Re-Regionalisierung, Dekolonialismus, Autonomie, und ja, Solarpunk ist antikapitalistisch. Das muss es sein. Passende Zeilen bei Peter Fox sind:
„Elon Musk – fick dein Marsprojekt, scheißkalt und arschweit weg, hab Brandenburg entdeckt, Bianchi-Bikes – Future Flex“
„Do it yourself – BAUHAUS“
„Gibt billige Buden in Downtown“
In einer Solarpunk-Welt stehen menschliche Grundbedürfnisse mehr im Mittelpunkt als der Griff nach dem schnellen Erfolg auf Kosten der Umwelt und Gesellschaft. Es geht um Nachbarschaft, um Mitgefühl und Akzeptanz, um Kreativität und gesellschaftlichen Wohlstand statt zentriertem Reichtum. Hierzu passen folgende Zeilen:
„Alle sind cool mit den Nachbarn, tax me now, I’m a rich motherfucker“
„Schwarz, weiß, straight, gay, Liebe für alle und für mich selbst“
„Power to the people, yeah, Frauen rul’n die Welt“
Ich sag’s wie es ist: Solarpunk ist kitschig, aber verdammt nochmal, ich will eine solche Zukunft erleben. Solarpunk verbildlicht all das, was ich an Nachhaltigkeit so toll finde: statt über Verzicht zu sprechen und was wir alles falsch machen, zeigt es auf, welche Möglichkeiten uns Technologie schenkt, was es Gutes im Menschen gibt, welche Elemente des Lebens wir bewahren sollten und wie wundervoll die Natur ist. Ich möchte daran glauben, wenn Inéz in „Zukunft Pink“ singt:
„Alle mal’n Schwarz, ich seh‘ die Zukunft Pink, wenn du mich fragst wird alles gut, mein Kind“
Und vor allem möchte ich Teil davon sein, beruflich wie privat. „Zukunft Pink“ gibt mir dafür Mut in der vermutlich deprimierendsten Phase der Welt, die ich bisher miterlebt habe. Nicht umsonst ist die letzte Zeile im Song:
„Weil wir die Zukunft sind, seh‘ ich die Zukunft pink“
Übrigens: Dieser Text ist ein erster Teil eines mittelgroßen Projektes, das ich in den nächsten Monaten verfolgen möchte. Wenn ich dies wirklich tue, werde ich meinen Fortschritt hier dokumentieren. Stay tuned. #solarpunk #pnp
Jahrgang '95, Abitur 2013, B.Sc. Biogeowissenschaften und M.Sc. Nachhaltigkeitswissenschaften. Ich möchte dazu beitragen, aus wissenschaftlichem Konsens reales Handeln werden zu lassen. Verständliche Kommunikation ist dabei wichtig. Daher dieser Blog.
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