Und wieder ein Klimathema – aber ein hochaktuelles. Die CO2-Steuer wird derzeit ja viel diskutiert, jeder gibt seinen Senf dazu und so richtig passiert dann doch nichts. Da ich immer wieder dieselben Punkte lese, die nicht so richtig verstanden worden zu sein scheinen – und der Focus das Ganze als “Luft-Steuer” betitelt (was zur Hölle), dachte ich mir, ich kläre das Problem jetzt mal selbst. Endgültig. Dankt mir später.

Das Konzept einer CO2-Steuer ist einfach: jede Menge CO2-Äquivalente (CO2eq, auch Methan, Lachgas und F-Gase werden einbezogen), die ausgestoßen wird, kostet Geld – meistens pro Tonne. Das Umweltbundesamt empfiehlt ca. 180€ / t CO2eq, was die Schäden widerspiegeln soll, die die Treibhausgase verursachen (2). Die Bundesregierung denkt gerade für den Einstieg auf ca. 35€ / t herum, mit Steigerung auf 180€ bis 2030 (3). Unabhängig vom genauen Preis gilt: Wer dem Klima schadet, zahlt mehr – z.B. auf den Energieträger. Diese Mehrkosten werden als Steuer eingenommen. Da aber nicht nur klimaschädliches Verhalten “bestraft”, sondern auch klimafreundliches Verhalten “belohnt” werden soll, wird das Geld wieder ausgeschüttet. Am Ende des Jahres bekommen alle Bürger*innen (und Unternehmen) eine Ausgleichszahlung – zum Beispiel 100€ pro Person – aufs Konto überwiesen. Die Höhe dieser Zahlung wäre zunächst  für alle gleich. Wer also im Laufe des Jahres z.B. 200€ mehr an Steuern zahlt, weil er oder sie viel Auto fährt und viel Gas verheizt, macht insgesamt 100€ minus. Wer hingegen energiesparend heizt, erneuerbaren Strom bezieht und kein Auto fährt, zahlt vielleicht nur 30€ mehr und macht 70€ Gewinn. Über die Zeit würde die CO2-Steuer steigen, während auch die Ausgleichszahlung immer weiter steigt. Das Verhältnis sollte sich dabei so gestalten, dass sich durch gleichbleibendes Verhalten immer weniger finanzieller “Gewinn” machen lässt. So ist Jede*r dazu angehalten, immer weniger zu emittieren, damit am Ende des Jahres noch gleich viel, oder sogar mehr, übrig bleibt. Insofern ist das Prinzip genial: über den Preis wird dafür gesorgt, dass eine stetige CO2-Reduktion erreicht wird. Dafür sind keine Verbote notwendig – das liebe Geld regelt alles von allein.

Abbildung: Autofahren wird teurer werden. Und das im Autoland Deutschland. Herrje.

So eine CO2-Steuer funktioniert bereits in anderen Ländern: Schweden ist Vorreiter mit ca. 111€/Tonne CO2eq, während die meisten Länder irgendwo zwischen 1€ und 30€ herumdümpeln (4). Zugegeben: die Höhe der Abgaben lassen sich nicht immer vergleichen, da sie teilweise anders verrechnet werden und nicht immer dieselben Ursprünge von Treibhausgasen besteuert werden. Das ist auch bei der Diskussion in Deutschland wichtig: derzeit sprechen wir ausschließlich von Benzin, Heizöl, Gas und Kohle (5). Kerosin wird außen vor gelassen, Lebensmittel ebenso und auch Konsumgüter – Kleidung, Elektronik etc. – würden nicht besteuert. Das ist problematisch, aber dazu kommen wir gleich. 

Dazu kommt: es gibt auch Länder, die Mist bauen. Das beste (Negativ-)Beispiel war Frankreich im letzten Jahr. Präsident Macron rief eine CO2-Abgabe auf Benzin und Diesel aus, die allerdings nicht rückvergütet werden sollte (6). Autofahrer müssten also mehr zahlen, es war aber durch klimaschonende Mobilität kein finanzielles Plus möglich. Als Konsequenz zogen sich die Menschen gelbe Westen an, gingen auf die Straßen und machten ordentlich Druck. Macron ruderte zurück, und so bald wird Frankreich wohl keine CO2-Steuer mehr anfassen. Wir sollten von solchen Fehlern lernen – allerdings bleibt offen, ob die CO2-Steuer überhaupt grundsätzlich funktionieren wird.

Daran darf man nämlich gerne zweifeln. Wir wissen alle, wie festgefahren man in seinen Gewohnheiten sein kann. Das Auto abzugeben, stattdessen die Bahn zu nehmen oder das Rad, das ist schon eine Umstellung und (wenn man nicht gerade, so wie ich, das Autofahren in der Stadt hasst) auch ein Verlust an Gemütlichkeit. Der finanzielle Vorteil – bzw. das Ausbleiben von finanziellem Schaden – müsste für Viele schon enorm sein, um sich hier zu überwinden. Die derzeit diskutierten Preise sind dafür viel zu niedrig: 10 ct pro Liter Benzin entsprechen manchmal der täglichen Schwankung an der Tankstelle (3). Durch die Rückerstattung am Ende des Jahres sinkt der finanzielle Mehraufwand noch weiter. Wo liegt die eigene Schmerzgrenze, sich wirklich zu verändern? Letztlich geht es ja auch um das Gefühl, dass etwas teurer wird und man es irgendwann nicht mehr einsieht, soviel zu bezahlen – ganz, ohne gegenzurechnen, wieviel man letztlich wirklich mehr zahlt. Aber fragt doch mal irgendeinen Raucher: eine Schachtel kostet heute, was, 7€? Und ab 4 Mark wollten alle aufhören, zu rauchen? Hat ja gut geklappt.

Abbildung: Die derzeit bestehenden CO2-Bepreisungen in verschiedenen Ländern.
Quelle: World Bank Group. State and Trends of Carbon Pricing 2019. 

Andererseits: wenn wir jetzt mit 180€ einsteigen und der Liter Benzin 57 ct mehr kosten würde, wäre ein großer Teil der Bevölkerung völlig überfordert (1). Denn das ist eigentlich der viel wichtigere Punkt: Man kann nicht alternatives Verhalten fordern, wo keine Alternativen bestehen. Auf dem Land braucht man eben ein Auto, vor allem als Pendler, weil der öffentliche Nahverkehr kaum als adäquat anzusehen ist. Sein Haus neu zu dämmen, oder die Mietwohnung, liegt entweder nicht in der eigenen Hand oder ist zumindest eine enorme Investition, genauso wie ein E-Auto. Die derzeitigen Pläne beabsichtigen jedoch, genau hier – beim Auto und beim Heizen – die Steuern zu erheben. Dort also, wo der Umstieg am schwersten fällt. Zugegeben, den Stromanbieter zu wechseln ist oft an einem Nachmittag erledigt, und dass erneuerbarer Strom teurer wäre als fossiler, ist auch nicht mehr wahr (7). Man kann Fahrgemeinschaften bilden und mit dem Rad zum Bäcker fahren. Hier lässt sich schon eine Menge tun – aber andere Bereiche, die auch einfach umzustellen wären – z.B. Ernährung, Kaufverhalten und Flugreisen – werden in den aktuell diskutierten Konzepten (noch) nicht berücksichtigt. Die CO2-Emissionen sind hier teilweise aber auch schwieriger zu messen als beim Energieverbrauch.

Flüge sind dennoch ein gutes Beispiel: Erst vor einigen Tagen verkündete Umweltministerin Svenja Schulze, Flüge sollten teurer werden (8). Das ist ein richtiger Ansatz, wenn man sich das Missverhältnis zwischen Flug- und Bahnpreisen anschaut. Frankreich wird 2020 so eine Umweltabgabe auf Flüge einführen. Die werden dann zwischen 1,50€ (Inland, Economy) und 18€ (Langstrecke, Business) teurer – das ist vermutlich nicht wahnsinnig hilfreich. Allerdings hat Deutschland im Gegensatz zu Frankreich schon eine fünfmal so hohe Luftverkehrssteuer (9). Es gibt gerechtfertigte Gegenargumente gegen eine solche Preiserhöhung: wenn wir weiter eine mobile Gesellschaft haben wollen, darf nicht einfach alles teurer werden – Züge könnten ja auch günstiger werden (nicht, dass die Bahn nicht jetzt schon kurz vor dem Zusammenbruch stünde, aber das ist leider ein anderes, großes Thema). Zudem: man könnte ja auch anfangen, Flüge so zu besteuern, wie es sein sollte: dann würden jährlich 530 Mio. € Energiesteuer und 80 Mio. € Mehrwertsteuer anfallen, die derzeit wegen Wettbewerbsfähigkeit nicht erhoben werden, und man müsste ggf. keine extra Steuer einführen (10). Man sieht, wie kompliziert das Ganze ist.

Abbildung: Fliegen soll teurer werden. Wie soll man dann noch von Köln nach Berlin kommen? Ohje.

Die größte Kritik an der CO2-Steuer ist aber: wie sollen sich einkommensschwache Familien mit so einer Steuer noch etwas leisten können? Die Antwort: Im Durchschnitt besitzen Geringverdiener tendenziell kleinere Wohnungen und kleinere Autos. Sie emittieren also sowieso weniger und würden vermutlich von einer CO2-Steuer profitieren. Ausnahmen bestätigen die Regel, klar – die könnten aber über Pendlerpauschalen und Ausnahmeregelungen berücksichtigt werden. Der Aufschrei einer sozial ungerechten Steuer wäre dann ungerechtfertigt. Aber muss eine Steuer überhaupt auf jede*n Einzelne*n Rücksicht nehmen, wenn die grundsätzliche Idee richtig und fair ist? Und noch viel wichtiger: Wer behauptet, dass Klimaschutz nicht auch etwas kosten darf (oder muss)? Die Kernfrage lautet doch: welcher Konsum ist gerechtfertigt? Unser derzeitiger Lebensstandard verbraucht im Durchschnitt ca. 10 t CO2eq / Jahr – nachhaltig wäre 1 t (11). Wenn eine CO2-Steuer nicht weh tut, wenn man 11 t emittiert, wie wollen wir dann jemals auf 1 t kommen?

Um kurz von Privatpersonen wegzugehen – für Firmen ist die CO2-Steuer vermutlich wirksamer, aber nicht weniger schwierig. Unternehmen agieren schließlich viel profitorientierter als Privatpersonen und hätten bei einer CO2-Steuer viel größere Anreize, energiesparsam zu wirtschaften. Andererseits tätigen Unternehmen viel größere Investitionen und könnten von einer plötzlichen Steuererhöhung mitunter in ihrer Existenz bedroht werden. Wenn ich als Spedition gerade in neue LKW investiert habe und plötzlich Treibstoff deutlich teurer wird, kann ich nicht einfach in eine komplett neue E-LKW-Flotte investieren – zumal die Technologie von E-Autos noch nicht auf dem Stand von normalen Verbrennern ist. Auch hier wären sicherlich Ausnahmeregelungen und Kompromisse denkbar.

Die CDU wirbt mittlerweile auch viel für eine Bepreisung von CO2, ist sich aber intern uneinig. Der liberale Flügel spricht sich auch für eine Steuer aus (12). Große Teile der Partei wollen aber lieber den Weg über Emissionszertifikate gehen, den sie subtil als “Königsweg” bezeichnen (13). Bei letzterem Mechanismus bekommt jeder ein gewisses Kontingent an Emissionen, und wer mehr verbraucht, muss die Rechte dazu von anderen kaufen, die sie nicht brauchen. Das findet in Form des ETS-Systems bereits für Firmen auf europäischer Ebene statt, funktioniert da aber nicht so richtig. Es sind zu viele Zertifikate im Umlauf, das ETS verhindert effektivere Maßnahmen und die Wirksamkeit des Systems konnte noch nicht nachgewiesen werden (14). Dieses System auf andere Bereiche auszudehnen, ist zudem rechtlich schwierig. Die CDU möchte damit aber dem Gefühl entgegenwirken, dass sich der Staat am Klimaschutz bereichert, wie dies bei einer Steuer vielleicht wirken würde.

Eine CO2-Steuer sollte sicherlich keine Mehreinnahmen darstellen, um nicht als Geldmacherei wahrgenommen zu werden. Gleichzeitig bringt es kaum etwas, wenn das ganze Geld wieder ausgeschüttet wird. Ein Teil sollte einbehalten werden, um einen Beitrag zur Energiewende leisten zu können – das Geld könnte in Stromnetze, Speichertechnologien und die Infrastruktur der Bahn investiert werden. Leider dürfen Steuern in Deutschland nicht zweckgebunden erhoben werden, sondern müssen dem allgemeinen Haushalt zugeführt werden. Aber wo ein Wille ist, … Wir werden sehen, wie sich die Diskussion entwickelt – Ende September möchte die Bundesregierung eine Grundsatzentscheidung zum Thema treffen. Die CO2-Steuer wird kommen – die Frage ist, wie hoch sie ausfallen und welche Sonderregelungen es geben wird. Dann wird sich zeigen, wer wirklich davon benachteiligt ist, und ob wir das in Kauf nehmen können, wollen und müssen, um den Klimaschutz voran zu treiben.

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